26.10.16

Duft ist Leben

 
 

Duft ist Leben


Ein Streifzug durch die antike Vorstellungswelt über Götter, Räucherwerk, Duftpflanzen und Düfte


Frühgeschichtliche Bedeutung der Düfte

Von der Frühgeschichte bis zur frühen Antike waren Düfte ausschließlich der Priesterschaft und den Herrschern vorbehalten. Denn nur ihnen wurden die Kenntnisse und Fähigkeiten zugesprochen, mit Düften und Räucherungen eine Verbindung zu den Göttern aufzubauen. Auch die heilende Wirkung duftender Pflanzen, Hölzer und der Düfte selbst wurden früh entdeckt und das Wissen darüber von Kaisern und Herrschern systematisch gesammelt. Ihnen kam Gottesfurcht und uneingeschränkte Anerkennung zuteil, denn Kenntnisse über das Heilen konnten nach Volksmeinung nur gottesgleiche Wesen besitzen. Schon im alten Ägypten, mehr als 1.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, gab es das folgende, landesweit bekannte Sprichwort:


„Ein Tag ohne Duft ist ein verlorener Tag.“


Original Sprichwort geändert

Ägypten – die Wiege der Duftkultur

Ägypten gilt noch heute als Land der Duftkultur. Hier wurde die Bedeutung der Düfte und Duftstoffe für das tägliche Leben zuerst erkannt.

So befahl die Pharaonin Hatschepsut, die ca. von 1470 bis 1445 vor Christus in Ägypten regierte, per göttlichem Dekret, dass künftig Räucherungen, Düfte und Kosmetika nicht nur der Priesterklasse und dem Herrscherhaus, sondern dem Volk, gleichgültig welchen Standes, zugänglich sein dürfen.


Duft ist Leben

In der Antike und den alten Weltkulturen galt die weitverbreitete Meinung, dass sich die Götter nur von den Winden und Düften, dem sogenannten „per fumum“ ernähren, die ihnen die Menschen opfern.

Tanz, Gesang und Musik gehörten in bestimmten Regionen der damaligen Welt auch zur irdischen Speise für die Götter. Brandopfer, Räucherungen und Duftopfer waren deshalb ein Mittel, um mit dem Überirdischen, dem Himmlischen – also mit den Göttern zu sprechen und sie gnädig bzw. gewogen zu stimmen. Darüber hinaus dienten sie aber auch als eine Art Speise für die Götter. Denn es galt die Ansicht, dass die Götter einem nahe waren und der göttliche Schutz gewiss, wenn man sich mit Düften von Rauch und Räucherwerk einhüllte.

Tradition der ayurvedischen  Gesundheitslehre und Parfumherstellung

Die Anfänge der ayurvedischen Gesundheitslehre reichen mindestens 5.000 Jahre zurück. Sie finden sich im Nord westen des indischen Subkontinents am Fuße des Himalajas.

Geprägt von der Veda (= Wissen) kannte sie neben Kräutern, Gewürzen, Harzen und Mineralien auch schon die positive Wirkung von Pflanzendüften. Düfte, also Destillate von Pflanzen und Blüten waren nicht nur in der Medizin, sondern auch als Naturparfum hoch geschätzt. So lässt sich die Tradition der Parfumherstellung (Destillation von Düften) in Indien bis in die Zeit vor mehr als 3.000 Jahren v. Chr. zurückverfolgen. In Westindien und Pakistan wurden aus dieser Zeit Destillationsgeräte aus Terrakotta gefunden. Darüber hinaus wurden auch Lederflaschen zur Destillation verwendet.

Duftbedeutung in den übrigen Hochkulturen 

In den übrigen Hochkulturen der damaligen Zeit, bei den Sumerern, Babyloniern und Assyrern sowie auch in der frühen Indus-Zivilisation (um ca. 2.800 v. Chr.), der Blütezeit der Harappa-Kultur, wurden Düfte, duftende Pflanzen und Pflanzen-Auspressungen und auch Kosmetika nur von der Priesterschaft bei religiösen Zeremonien und bei Toten-Kulten zum Zwiegespräch mit den Göttern verwendet.


Europäische Duftkultur


Opfergabe, Tauschobjekt, Schutz vor Krankheit oder Verführung – die Geschichte der Düfte und Parfums spiegelt Wirtschaft, Medizin, Glauben und Sitten der verschiedensten Epochen wider.


  • Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich unter dem Einfluss des gehobenen Bürgertums die moderne Parfumindustrie. Auf der Weltausstellung 1868 wird das erste, rein synthetische Parfum vorgestellt.
  • Im Zeitalter der Aufklärung erinnert man sich der Hygiene, bevorzugt feinere Düfte, legt großen Wert auf Schminke und Frisuren und unterwirft sich der Diktatur der Mode. Jean-Antoine Farina erfindet das Eau de Cologne.
  • Parfümieren statt Waschen – nach dem Vorbild Versailles übertönen Männer und Frauen der klassischen Epoche ihre Körpergerüche mit Parfum. Es ist die Zeit der Parfum- und Puderhersteller. Grasse und Montpellier liegen im Wettstreit um medizinische Kräuter und Duftpflanzen.
  • Die großen Entdecker der Renaissance bringen neue Rohstoffe aus Amerika und Indien. Alchemistische Rezepte werden durch erste chemische Abhandlungen ersetzt. An den Fürstenhöfen beginnt ein Wettstreit um die Geheimnisse der Schönheit.
  • Im Mittelalter bringen Kreuzfahrer Roh stoffe und Parfumtechniken aus dem Orient nach Europa. Gute Gerüche – so glaubte man – schützen vor Epidemien und dienen dem körperlichen Wohlbefinden.
  • Schon im antiken Ägypten und in Griechenland wurden Heil- und Duftpflanzen, Hölzer und Harze den Göttern als Zeichen der Verehrung überreicht. Räuchermittel, Öle und Balsame benutzten Reiche und Arme, um sich dem Göttlichen zu nähern.
Duftpflanzen zur Heilung

Die Verwendung von Wildkräutern und Duftpflanzen bei rituellen Anlässen und zur Heilung von Krankheiten reicht in der Geschichte der Menschheit noch wesentlich weiter zurück.

So ist überliefert, dass die Sippe der Khoi-San, ein Urvolk im Südwesten des afrikanischen Kontinents, bereits vor mehr als 100.000 Jahren Wildkräuter kannte und diese einsetzte. Sie lebten in familienähnlichen Gruppen zusammen und entwickelten darin Gemeinschaften mit eigener sprachlicher und enger sozialer Bindung. Nach der Auswertung von mehr als 2 Mio. DNA-Daten unter der Leitung von Prof. Stephan Schuster von der Penn State University zählen die Khoi-San mit zu den ersten modernen Menschen der Welt. Von diesen direkten Vorfahren stammen alle bis heute lebenden Menschen weltweit ab.



Dufttraditionen und Rituale

Räucherpflanzen, Harze und Blüten waren in der Antike weit verbreitet und identisch abgesehen von wenigen, hauptsächlich örtlichen Abweichungen.

Zu den beliebtesten und am häufigsten eingesetzten „Duftquellen“ zählten Quittenkerne, Jasminblüten, Mastix, Myrtenblätter, Rosmarin, Lavendel, Wacholderbeeren, Zedernholz, Oud oder Agarholz, Lotos und Rosenblätter. Die Begeisterung der Ägypter für Blumen, Blumengebinde und Düfte ist nicht nur mit Liebe zu schönen Blumen und Düften zu erklären, sondern hat tief verwurzelte, religiöse Gründe. So hat das Wort „Strauß“ in der altägyptischen Sprache dieselbe Bedeutung und dasselbe Wort-Bildzeichen wie Leben. Aus dieser Tradition heraus lässt sich auch ein Blumenritual bei Totenzeremonien erklären.

So wurden Gebinde duftender Blumen und Duftflakons in den Sarg gelegt, damit die Götter auch im Totenreich noch den Lieblingsduft des Verstorbenen riechen konnten. Grundlage dieser Tradition ist die auch in Ägypten weitverbreitete und von den Babyloniern übernommene Sitte zur Anlage von Blumengärten. Dies geschah überall, auch in den Städten, um den Verstorbenen, die als Vögel aus der Unterwelt zu Besuch in die Welt der Lebenden zurückkehren durften, einen schönen Ort für Gespräche anzubieten.